31

31
Oktober 11, 2016 fritz

Zitat Nr. 18

Außerhalb aller politischen Bindungen, dazu aus der Fremde kommend, hatte er doch wahrgenommen, was sich abspielte, und was kein andrer auf den Straßen zu bemerken schien, diese panischen Augenblicke, die überall und unablässig den Tag zersetzten. Gleichgültig hatten die Einheimischen sich abgewandt von ihren Opfern, die mit Gewehrkolben auf die Lastwagen getrieben wurden, diese verhärmten Opfer, mit den ärmlichen Bündeln, diese verstörten Alten, diese weißen Frauengesichter, diese Kinder, die nicht mehr zu schreien wagten, und die Gleichgültigkeit sei ihm nie als Apathie vorgekommen, sondern nur als Zeichen einer allgemeinen Übereinkunft. Am deutlichsten, sagte er, habe sich ihm die Trennung zwischen den Tätern und ihren Taten gezeigt, als er einem der Ausgestoßnen begegnete, der schlafwandlerisch, das Merkmal über dem Herzen, den Blick gradeaus, unterhalb der Bordkante dahinging, den eignen Tod in einer Welle von Gleichgültigkeit mit sich schleifend, da sei ihm gewesen, als müsse sich der Boden auftun, doch alles habe seinen Gang genommen, auf dem Bürgersteig, auf dem Fahrdamm, hin und her, sie alle hielten zusammen, ließen nichts gegen sich aufkommen, dieser eine, der hier umherirrte, war nur ein Schatten, der sie nichts anging, der gleich verschwinden würde. Einzig das andre, das, aus der Höhe, jede Nacht einbrach in ihre Welt, ihre Gebäude zertrümmerte, Feuer verbreitete und viele der ihren niederstreckte, versetzte sie in ein noch ungläubiges Erstaunen und in beleidigte Empörung, denn dies war doch unzulässig, daß da etwas hinterrücks ihre ruhmvolle Schöpfung angriff.

(Suhrkamp-Ausgabe in einem Band, Frankfurt am Main 1983, Band III, S. 118)

0 Kommentare

Antwort hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.