Zitat Nr. 21
Trotz Rosa, trotz Zetkin
“Ihre Aufgabe war es, den Funktionären den Weg zu ebnen, zu erkunden, ob es für sie möglich sei, im Land tätig zu werden. Es war ein ehrenvoller Auftrag. Die Führer der Partei mußten geschützt werden. Obgleich auch ihr Steckbrief bei der Staatspolizei lag, würde es ihr leichter fallen unterzutauchen, als jene, auf denen ein hohes Kopfgeld stand. Ihr Verlust könnte, faßte man sie, hingenommen werden. Unten waren viele, wenige waren oben, und je weniger es waren, desto unersetzlicher wurden sie. Auf allen Ebenen griffen die Aktionen ineinander, bildeten das Ganze der Partei. Und nie hätte sie unterscheiden wollen, ob die Arbeit von einem Mann oder von einer Frau geleistet wurde. Seitdem sie der Partei angehörte, hatte sie die unzähligen Frauen gesehn, die überall anspruchslos und selbstverständlich getan hatten, was getan werden mußte. Die Partei aber wurde, trotz Rosa, trotz Zetkin, von Männern geleitet. Keine Frau saß im Zentralkomitee. Sie hatte gelernt, daß dies so sein müsse. Von alters her waren die Männer die Organisatoren gewesen. Sie wollte nicht aufsteigen. Es war Anerkennung genug, daß sie auf die gefahrvolle Reise geschickt worden war. Wenn die Beklemmung sie nicht losließ, so war das Eingesperrtsein in diesem Bunker daran schuld. Sie hatte nichts dagegen einzuwenden, daß die Weisungen von oben gegeben wurden. Oben befanden sich jene, die im Besitz der reichsten Erfahrungen waren. Auch die Männer erhielten ihre Befehle von oben. Über jedem gabs höhre Instanzen. Sie hatte sich für die Partei entschieden, die Männer in der Partei aber entschieden über sie. Die Männer sahn in der Partei ihr Werk. Die Partei war für die Männer der Boden, um zu wachsen. Sie gehörte, zwischen ihresgleichen, zu Namenlosen. Sie gehörte zu den Unscheinbaren. Die Männer wollten sich entfalten. Auch die Männer wollten der Partei ihr Bestes geben. Dabei aber rangen sie untereinander um Vorrechte.”
(Suhrkamp-Ausgabe in einem Band, Frankfurt am Main 1983, Band III, S. 80)