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Peter Weiss hat mein kritisches Denken befördert
“Es ist natürlich schwierig zu beurteilen, wie stark ein Mensch, ein anderer Mensch, das eigene Denken beeinflusst. Ich bin immer ein kritischer Mensch gewesen und ich glaube schon, dass die Zusammenarbeit mit Peter mein kritisches Denken noch befördert hat”, sagt Manfred Haiduk, der emeritierte Literaturwissenschaftler, der zu Peter Weiss’ dramatischem Werk zu DDR-Zeiten habilitiert hat. Er sei vom damaligen Intendaten des Rostocker Volkstheaters, Hanns Anselm Perten, damals, 1965, gebeten worden, an der Inszenierung des “Marat/Sade”-Stückes als wissenschaftlicher Mitarbeiter mitzuarbeiten. Er begegnete zur Premiere damals Peter Weiss und seiner Frau Gunilla Palmstierna erstmals und lud sie am Abend der “hinreißenden” Premiere zusammen mit Perten zu seiner Geburtstagsfeier ein, wo dann noch in Gunilla Palmstierna-Weiss’ Geburtstag hineingefeiert und die Uraufführung nachbereitet wurde. Das führte dann zu einer engen Arbeitsfreundschaft: Peter habe ihn zu Rate gezogen, wenn er in seiner künstlerischen Arbeit Rat brauchte und für ihn, für seine Arbeit sei Gespräch mit Peter natürlich außerordentlich wichtig gewesen. Diese Arbeitsfreundschaft gehe auch aus Peter Weiss’ Notizbüchern und ihrem Briefwechsel hervor, sagt Haiduk, und habe dann insbesondere für die „Ästhetik des Widerstands“ gegolten. “Peter hat keinen fertiggestellten Text an den Verlag gegeben, bevor er mir nicht diesen Text zu lesen gegeben hatte”, erinnert sich der Literaturwissenschaftler.
Haiduk regt an, bei der Frage nach Weiss’ Aktualität für die heutige Zeit zur “Ästhetik” auch sein spätes Stück Der Neue Prozess dazu zu denken, wo zum antifaschistischen Impetus der “Ästhetik” ein dezidiert antikapitalistischer (und keineswegs antiamerikanischer) Gehalt komme. Ihn habe der von Peter Weiss geprägte Begriff der “Vierten Welt” besonders beeindruckt, den er im Nachlass wiederentdeckt habe und der eine utopische Welt selbstbewusster Bürger beschreibe, die sich allem Überkommenen und Festgelegten widersetzten, sagt Haiduk. Wir hatten schon gestern Professor Haiduk auf diesem Blog mit seinem Beitrag zur Genese der DDR-Ausgabe der “Ästhetik des Widerstands” und freuen uns, ihn zu unseren Unterstützern und Beratern zählen zu dürfen.