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Raus aus der Nische der Unterhaltung: Widerständige Positionen brauchen widerständige Ästhetik
Der Hamburger Philosoph Roger Behrens hat in einer frühen Phase des Umschlags seiner jugendsubkulturellen Sozialisation als Punk in eine politische Sozialisation zunächst nur auf die symbolische Kraft allein des Buchtitels reagiert, ehe er Ende der 1980er Jahre, Anfang der 90er sich dann auch tatsächlich dem Buch zuwandte. Er sagt dazu heute: “Wir leben ja in Zeiten, wo die Linke geschwächt ist, wo auch Menschen, die in irgendeiner Weise interessiert sind an besseren Verhältnissen, offenbar in der Minderheit sind, wo selbst ein Minimalkonsens von Demokratie und Aufklärung nicht mehr selbstverständlich ist. Das Problem ist, dass Peter Weiss in den Siebzigern im Rückgriff auf die Dreißiger Jahre ein politisch-ästhetisches Modell vorschlägt, bei dem erstmal die Tragfähigkeit diskutiert werden müsste für heute.” Behrens schätzt die Situation heute so ein, dass wenn man Positionen hat, die der Peter Weiss’ vergleichbar sind, man sich vollständig im kulturellen Bereich bewege. Also diejenigen, die noch sagten, was eigentlich noch gesagt werden müsse, könnten das tun in einer Nische von Kultur und Unterhaltung. “Da stark zu machen, dass eine widerständige Position durchaus auch eine widerständige Ästhetik braucht, wäre die Aktualität von Peter Weiss”, sagt er. Als Beispiel nennt Behrens das „Floß der Medusa“, das zu den vielen Bildern, zu den vielen Kunstwerken gehöre, die im Roman diskutiert würden. Der schwierige Weg führe nun eben über die reflexive Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte zur Sozialgeschichte zur letztendlich Individualgeschichte: Mittlerweile gebe es ja eine ganze Reihe von Publikationen, in denen völlig klar sei, wie es um die Welt bestellt sei, letzten Endes ja auch das Projekt des von ihm geschätzten Ilja Trojanow, der dann ja das Realereignis des Schiffsunglücks und des Terrors auf dem Floß der Medusa 1816 zum Anlass nehme, genau darüber zu reflektieren: “Das wäre für mich ein Einstieg, da nochmal zu erinnern, was es bedeutet, aus einer kritischen Haltung etwas zu machen, was mit der Ästhetik des Widerstands zu tun hat.”